Buddha Retreat

Meditation Wochenende

Buddha und Nicht-Ich

Buddha stellt fest, daß eine Dekonstruktion einer Ich-Vorstellung zu rechter Einsicht führt, was er anatta „Nicht-Ich“ nannte. Dies ist das Hauptunterscheidungskriterium zu allen anderen komplexen „Gedankengebäuden“, Theorien, Religionen. Das übliche Gebrauch von Begriffen wie „Menschen“ und „Dinge“ vereinfacht die Kommunikation, subjektiv ist das Erleben aber völlig anders. Das ist kein Fehler der Kommunikation oder des subjektiven Erlebens. Man versucht sich abzustimmen. Viele weit verbreitete Überlegungen sind „bizarr“. Sie beinhalten „Ordnungen“, die meist Wertungen sind.

Die optische Annäherung an das übliche Persönlichkeits-Tabu soll anhand der Bedürfnis-Pyramide von Maslow kurz erläutert werden. Die Gründe für die Wahl ist insbesondere die Bekanntheit. Und sie spiegelt das traditionelle religiöse Paradigma, daß sich eine „gute“ Seele von den „Elementarbedürfnissen“ lösen sollte auch in der Psychologie. Das wird in einer oben/unten Struktur visualisiert:

Die klassische Referenz „Oben/Unten“ wird vielfach zur Personen- und Welterklärung genommen. Man glaubte damals selbstverständlich an Himmel und Hölle, die von irgendwelchen Dämonen bzw. Göttern bewohnt werden. In der klassischen Philosophie laufen die „Guten“ und „Schönen“ mit angeblicher Vernunft an der Spitze der Gesellschaft herum. Zur „Tiefenpsychologie“ muß man angesichts der „Tiefe“ eigentlich nichts sagen, himmlisch weit oben ist ein „Über-Ich“ (Gebote-Moral), dann im Mittelaufbau ein „Ich“ (Verstand) und dann unten ein „Es“ (Libido, Bedürfnisse). Und beim Menschenkörper nennen wir das oben den Kopf (Denken) in der Mitte das Herz (Liebe) und dann da unten ist der „Rest“. Oben/unten Referenzen lassen sich beliebig mit Beispielen fortführen. Man denkt, man hat was verstanden, aber man hat nur eine Präsentation „gesehen“.

Das sind „funktionierende“ Beschreibungsformen, weil – Menschen aufrecht gehen und am stärksten visuell orientiert sind. Als lustiger Vierbeiner mit Fellnase wäre die Selbstverwirklichung vorne und die Grundbedürfnisse wären hinten und wenn man sich umdreht ist vorne dann in die andere Richtung, das klingt – vernünftig? Vernünftig ist dort wo es gut riecht, Optik wäre sekundär. Die indische Chakra Lehre ist ebenfalls von unten nach oben angeordnet. Unten liegt die Energie-Schlange und es läuft für den Yogi gut, wenn die hochsteigt. Diese „Energie“-„Schlange“ ist doch recht nett symbolisch, für das was den Bhogi kennzeichnet. Zu sinnieren, was bewußt, unbewußt und unterbewußt sein könnte, macht für die meisten deswegen Sinn, weil wir unsere Wahrnehmungsorgane „Sinnes“organe nennen.
Worum es geht, also was entscheidend ist, ist die „Wertung“: Will man das oder nicht? Wenn dann bei Maslow in Defizit- und Wachstumsbedürfnisse unterschieden wird, dann ist eine weitere Wertung dahingehend abgegeben, was man entwickeln sollte. Von Selbstverwirklichung kann man anscheinend nicht genug haben, von Sex sollte man schnell genug haben. Das entspricht auf wirklich einfachste Art in den 1950ern der traditionellen Werteordnung im englischsprachigen Raum.

Es ist klar worauf diese Betrachtung zum Tabu bei der Bedürfnisbefriedigung hinaus“läuft“: kehren wir das tolle Dreieck einfach einmal um! Die Ess-, Schlaf-, Sex Bedürfnisse sind die vernünftigen Top-Wachstumsbedürfnis und die schöne Hütte und die gute Arbeit sind sehr wertvoll. Die sozialen Bedürfnisse spenden angenehme Wärme ums Herz. Das Ich-Bedürfnis nach Anerkennung/Geltung („Schulterklopfen) bekommt man vom Sozialen gar nicht so einfach unterschieden, es klingt dann schon etwas „unsinnig“. Und die Selbstverwirklichung, – wen interessiert das? Die gängigen „Erklärungs“-Modelle wie von Maslow sind meist bereits in der Präsentation „Erziehung“, Moral, Wunschvorstellung und – daraus abgeleitet Machtanspruch. Das Maslow-Modell spiegelt Platon mit dem Herrschaftsanspruch der guten und vernünftigen Philosophen und den Seelenweg der Kirchen. Das ist alles die bekannte Welt, aber – was sind die Bedürfnisse und wie muß man damit umgehen? Üblich ist das „mehr“. Buddha geht in die andere Richtung, er geht ins „weniger“. Beide Richtungen haben Chancen und Risiken. Essen und Schlafen muß natürlich sein, aber den ganzen anderen Zeitvertreib – läßt man mal. Das Unsicherheits“bedürfnis“ wird hochgezogen – die Bikkhus sollten betteln und umherwandern. Die sozialen Bedürfnisse werden nicht nur so positiv gesehen. Das Ich-Bedürfnis bekommt ein großes Fragezeichen vor die Ich-Nase gesetzt und die gängige Methode der Selbstverwirklichung ist das Hauptproblem.

Das amüsante an den üblichen Traditionen, Gesellschaftsvorstellungen, Überzeugungen, Sitte, etc. ist der Umstand, daß inbesondere Sexualität so superpersönlich ist, daß man nicht darüber reden kann und es dennoch verbieten muß. Asketen leiten aus ihrer sexuellen Enthaltsamtkeit einen Machtanspruch ab, Durga macht sie einfach platt.

In den Buddha – Sutren sind einfache Ausarbeitungen, man muß immer dabei denken, daß das früher nur mündlich weitergegeben wurde. Buddha meinte:

„Wer so unweise nachdenkt, verfällt auf eine dieser sechs Theorien: Als wahr und feststehend erscheint ihm die Theorie „Mein Ich“ ist oder „Mein Ich ist nicht“, oder die Theorie „Mit dem Ich erkenne ich das Ich“, oder die Theorie „Mit dem Ich erkenne ich das Nicht-Ich“, oder die Theorie „Mit dem Nicht-Ich erkenne ich das Ich“, oder es bildet sich bei ihm folgende Theorie: „Dieses mein Ich, das hier und dort die Folgen guter und böser Taten erlebt, ist unvergänglich, dauernd, immerwährend, unveränderlich, es wird immer dasselbe bleiben“ Dies nennt man Theorien-Gestrüpp, Theorien-Gaukelei, Theorien-Sport, Theorien-Fessel.“

Majjhima Nikaya, Alle Anwandlungen – Sabbasava Sutta

Diese Hinweise zum Ich-Selbstverständnis lesen sich rückblickend charmant. An die Evolutionstheorie von Darwin, die Instinkttheorie von McDougall oder Pawlows Hund war damals nicht zu denken. Das hilft zur Einsicht von Verhalten. Buddha ging es aber nicht um ein Konzept, sondern Erkenntnis aus dem „Lebensmoment“. Seine knapp gehaltene Lehre und Praxis zur Reduktion des Anhaftens paßt als Orientierung unverändert. Wenn man die „Selbst“betrachtung auf zwischenmenschliche Interaktion ausweitet, was Buddha grundsätzlich vermied, erscheint mir, vermutlich wegen meiner begrenzten Kenntnis der Materie, ausschließlich das „Stufen“-Modell von Jane Loevinger geeignet.

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